O-Ton 1, Luis Enrique, Nationaltrainer Spanien- 'Heute haben wir gespielt, als ob es ein Viertelfinale wäre, in dem wir sogar noch durch ein Unentschieden in der Nachspielzeit hätten ausscheiden können. So haben wir uns der Herausforderung gestellt, indem wir versucht haben, es den Qualifikationsrunden der Euro so ähnlich wie möglich zu machen. Das Team und die Spieler waren hervorragend.'O-Ton 2, Ferran Torres, Nationalspieler Spanien:- 'Ich bin sehr glücklich, dass ich den ersten Hattrick meiner Karriere erzielt habe und besonders über das Ergebnis. Wir haben sechs Tore gegen Deutschland geschossen. Seit langer Zeit hat keiner mehr so viele Tore gegen sie geschossen.'SID fb mp Weitere Informationen:Sevilla/Köln (SID) Der arg angezählte Joachim Löw und seine schwer gedemütigten Spieler wollten einfach nur weg - sie verließen den Ort der Schande noch vor Sonnenaufgang. Während Löw nach einer kurzen Nacht niedergeschlagen in den Teambus kletterte, stand Oliver Bierhoff trotz der Schmach von Sevilla felsenfest zu seinem Bundestrainer. 'Das Vertrauen ist vollkommen da, absolut', sagte der ebenfalls schockierte DFB-Direktor nach dem historischen 0:6 (0:3)-Debakel in Spanien.Doch der Druck auf den ratlos wirkenden Löw wächst nach dem kompletten Systemabsturz beim grausamen Jahresabschluss massiv. Der 60-Jährige ist angesichts der zweithöchsten Niederlage der deutschen Länderspiel-Geschichte in Erklärungsnot, er steht vor den Trümmern seiner ohnehin kritisch begleiteten Aufbauarbeit. Zweieinhalb Jahre nach dem WM-Desaster wird über Löws Ablösung debattiert. Die für ihn nervige Dauerdiskussion über eine mögliche Rückkehr der aussortierten 2014er-Weltmeister Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng ist nur einer von zahlreichen Bränden, die Löw auf dem Weg zur EM löschen muss.'Es hat überhaupt nichts funktioniert. Deswegen sind wir riesig enttäuscht und sauer', sagte Löw und sah bei seiner völlig hilflosen Mannschaft eine lange Mängelliste: 'Keine Organisation, keine Kommunikation, keine Zweikampfhärte, kein Zweikampfverhalten.' Löws Erkenntnis: 'Das war tödlich.'Auf dem Rückflug grübelte Löw über seine offenen Baustellen. Die Zeit ist knapp: Bis zur Nominierung seines vorläufigen EM-Kaders bleibt dem Bundestrainer nur noch der Länderspiel-Dreierpack im März. 'Wir müssen das Spiel in den nächsten Tagen im Trainerstab aufarbeiten. Wir müssen die richtigen Schlüsse ziehen', sagte Löw und gestand ernüchtert ein: 'Wir dachten, dass wir schon weiter sind.'Löw will nun schauen, 'was der richtige Weg' ist. Für viele Experten ist dieser klar. 'Der Bundestrainer und sein Team haben eine Meinung dazu, ich persönlich habe leider eine andere. Solche Spieler wie Jerome Boateng und Thomas Müller haben das Triple gewonnen, mit der besten Mannschaft in Europa. Die spielen da in der ersten Elf und haben Qualität. Warum nicht für die Nationalmannschaft?', sagte der ARD-Experte Bastian Schweinsteiger. Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus legte sich bei Bild fest: 'Man braucht diese Führungsspieler nach so einer Niederlage.'Davon will Löw erst einmal nichts wissen. Für eine Rückholaktion gebe es aktuell 'keinen Grund'. Das Vertrauen in seine Spieler sei 'jetzt nicht völlig erschüttert'. Man müsse die Situation um Hummels, Müller und Boateng 'zum richtigen Zeitpunkt bewerten', betonte der Weltmeistercoach von 2014.Sein Kapitän ist da etwas offener. Die aussortierten Spieler 'könnten uns grundsätzlich helfen, das haben sie ja oft genug bewiesen', sagte Torhüter Manuel Neuer der Sport Bild schon vor seinem so unwürdigen Rekordspiel (96. Länderspiel).Was Löw ernsthaft Sorge bereiten muss, ist die Tatsache, dass in Sevilla größtenteils die Mannschaft auf dem Platz stand, die er sich auch für die EM vorstellt. Einzig Joshua Kimmich fehlte als absoluter Leistungsträger. Daher fand nicht nur Schweinsteiger die Leistung 'entsetzlich'. So dürfe man 'als deutsche Nationalmannschaft nicht auftreten'.Im Mittelfeld tauchten Toni Kroos und Ilkay Gündogan völlig ab. Die Abwehr um Niklas Süle verdiente ihren Namen nicht, das Turbo-Trio im Sturm um Timo Werner zündete auch nicht. 'Wir hatten keine Chance. Jetzt weiß man, wo man steht. Das gibt uns Grund zum Nachdenken', sagte Serge Gnabry in der ARD. Die spanische Marca schrieb von einer 'historischen Vorführung' und einer 'Abreibung'.Diese hat ihre schmerzhaften Spuren hinterlassen, es stellt sich die Frage nach Löws Zukunft. Eine Trainerdiskussion sei 'angebracht', findet Matthäus. Löw blieb gelassen. 'Das müssen sie andere fragen. Das kann ich so spontan nicht beantworten', sagte der Bundestrainer. Bierhoff hatte vor dem Spiel erklärt, den eingeschlagenen Weg zumindest bis zur EM mitgehen zu wollen. Und auch Schweinsteiger traut seinem ehemaligen Chef die Wende zu: 'Er hat die Erfahrung und die Klasse, es umzubiegen.'Falls Löw die Zeit bekommt, muss er bei der EURO liefern. 'Es kann nicht unser Ziel sein, dass die EM nur ein Vorbereitungsturnier für die weiteren Turniere ist. Wenn
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